Moraltheologie

Moraltheologie
   (lat.-griech. = die theol. Lehre von der Sittlichkeit), in der kath. Theologie eingebürgerter Begriff für die theol. Wissenschaft, die sich mit der Bedeutung des Glaubens für die richtige Gestaltung des menschlichen Lebens (in Haltung u. Handeln) befaßt. In der heutigen M. wird diskutiert, ob nicht ”theol. Ethik“ der sachgemäßere Begriff wäre. Insofern die Offenbarung Gottes die orientierende Norm der M. darstellt, ist die M. von einer philos. Ethik unterschieden, so sehr sie sich deren Begrifflichkeit u. Erkenntnisse zu eigen macht. Diese Ethik entwirft eine formale Struktur des Menschen, wie sie ist u. vom freien Handeln des Menschen respektiert werden soll, beantwortet aber die Frage nach den Willensbekundungen Gottes hinsichtlich dieses auf ihn hin ”offenen“ Wesens des Menschen nicht. Die Orientierung der M. an der Selbsterschließung Gottes, wie sie die Dogmatik analysiert u. systematisiert, bedeutet nicht, daß sie aus der Dogmatik unmittelbar praktische Verhaltensregeln entnehmen könnte. Vielmehr bemüht sie sich um eine Letztbegründung der Sittlichkeit aus den Grunddaten der Offenbarung (Schöpfung, Gnade, Rechtfertigung, Hoffnung), um die Bedeutung des Evangeliums von der Herrschaft Gottes für ein praktisches Handeln (im Hinblick auf die Einheit von Gottes-u. Nächstenliebe) u. um die individuellen Motivationen für eine sittliche Lebensgestaltung aus dem Glauben. Vor dem Hintergrund der theol. Anthropologie (Freiheit) reflektiert sie auch über die Möglichkeiten u. Folgen der menschlichen Verweigerung gegenüber dem sittlichen Anspruch des Glaubens (Sünde). Insofern die M. von einem bleibenden ”Wesen“ des Menschen (als Person) ausgeht, ist sie eine ”essentiale Normwissenschaft“; insofern sie den Wandel der geschichtlichen Situationen in allen Dimensionen des Menschseins unter Berücksichtigung der erfahrungsbezogenen Humanwissenschaften notwendig mit einbezieht, ist sie ”existentiale Normwissenschaft“. Beim Verstehen der Offenbarung Gottes u. deren Bedeutung für die sittliche Lebensgestaltung nimmt die M. Bezug auf Offenbarungsverständnis u. -interpretation des kirchlichen Lehramts, da sie Wissenschaft für die Menschen in der Glaubensgemeinschaft Kirche ist. Die amtlichen Äußerungen u. die Zeugnisse der Tradition zu ethischen Problemen bringt sie in den wissenschaftlichen Dialog argumentativ ein, um so auf ihreWeise zu einem sittlichen Konsens der Glaubenden beizutragen. Die M. kann dem Einzelnen die Findung des konkreten Willens Gottes für je ihn nicht abnehmen, weil die Analyse der konkreten Situation diese nie ganz reflex auflösen kann, weil Gott auch innerhalb der allgemeinen Normen, die mehrere Möglichkeiten eines an sich legitimen Handelns erlauben, eine bestimmte Handlungsweise ”wollen “ u. dem Menschen kundtun kann (Gewissen) u. weil der Mensch das vorbehaltlose Sichanvertrauen an Gottes Barmherzigkeit nicht vermeiden kann durch eine adäquate reflexe Klarheit über die konkrete Richtigkeit seines Handelns. Ausgangspunkt u. Ziel der M. ist also die Respektierung der Eigenverantwortlichkeit des Menschen. – Als selbständige theol. Wissenschaft entstand die M. gegen Ende des 16. Jh., wobei versucht wurde, sowohl Erkenntnisse der kirchlichen Praxis (der Sakramente, vor allem des Bußsakraments, des Kirchenrechts) als auch der scholastischen Ethik zusammenzuführen. Heute wird die M. weithin in ”Fundamentalmoral“ oder ”Allgemeine M.“ u. ”Spezielle M.“ oder ”Konkrete“, ”Angewandte “ M. (je nach den menschlichen Lebensbereichen differenziert) eingeteilt.

Neues Theologisches Wörterbuch. . 2012.

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